Dalheim unter Dampf
125 Jahre Eisenbahn in Dalheim
125 Jahre "Eiserner Rhein"
Große Jubiläumsfeier
11. und 12. September 2004

Ein Erfahrungsbericht von Theo Scheres

1879 wurde die Eisenbahnverbindung von Antwerpen über Roermond und Dalheim nach Mönchengladbach in Betrieb genommen. Die Ortschaft Dalheim partizipierte sehr stark an dieser Verbindung, ist Dalheim doch bis heute Grenzbahnhof zu den Niederlanden.

Die Dalheimer Bevölkerung nahm dieses Jubiläum zum Anlaß für eine große Feier, die am 11. und 12. September 2004 stattfand. Die Vorbereitungen hierfür begannen bereits in April 2003. Damals wurde die Idee geboren. Allerdings hatte man noch keine konkreten Vorstellungen über den Ablauf. Diverse Vorschläge standen im Raum, ließen sich aber teilweise aus Kostengründen nicht realisieren.

An einem Tag traf ich im Zug den früheren Kollegen Ingo Sabotta, der mein Interesse an der Eisenbahn kannte. Er fragte mich, ob ich die Planungen nicht unterstützen könne. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits für das Rheindahlener Festkomittee tätig war, entschloß ich mich, mir zunächst die Ideen der Dalheimer Bevölkerung anzuhören.

Die (Mönchengladbach-)Rheindahlener wollten nämlich am gleichen Termin die 650-Jahr-Feier der Erlangung ihrer Stadtrechte feiern. Dort gab es einen Eisenbahnfreund, der dieses Fest gerne mit einer Eisenbahnfeier kombiniert hätte, führt doch der "Eiserne Rhein" auch durch Rheindahlen.

Ich hatte bereits ein Angebot für einen Sonderzug mit einer Diesellok unterbreitet und versuchte nun, die Dalheimer mit den Rheindahlenern zusammen zu bringen. Es gab einige Gespräche, schließlich bekamen die Rheindahlener "kalte Füße". Ihnen war das Risiko zu hoch und sie nahmen Abstand von den Eisenbahnaktivitäten.

Den Dalheimern, die eine intensivere Beziehung zur Eisenbahn haben, hatte ich zwischenzeitlich "den Mund wässrig" gemacht mit dem Vorschlag, wenn schon, dann auch einen "richtigen" Zug einzusetzen. Folglich mußte ein Dampfzug her, bestehend aus einer Lok der Baureihe 78 mit sechs Donnerbüchsen und einem Güterwagen. Ich nahm Kontakt mit Arndt Weyers von der EPEG auf und nach einer gemeinsamen Streckenbereisung waren wir uns einig.

Ein großes Problem waren die entstehenden Kosten. Den kompletten Zug konnte der Förderverein finanziell nicht tragen. So wurde eine Lösung gefunden, bei welcher der "Verein zur Unterstützung und Förderung des Gemeinschaftslebens in Dalheim-Rödgen e.V.", der das Fest als Veranstalter trug, einen Teil der Kosten übernahm. Der Erlös aus den Fahrgeldeinnahmen floß dem Betreiber des Zuges zu.

Die Erlangung eines Beschlusses zur Finanzierung darf man sich allerdings nicht zu einfach vorstellen. Der Förderverein besteht aus etwas 120 Dorfbewohnern. Da der Vorstand nicht die alleinige Verantwortung für die Ausgaben übernehmen wollte, mußte zunächst eine Versammlung einberufen werden. Dies endete in den, für solche Art von Versammlung üblichen, Diskussionen zwischen Beteiligten und nicht informierten Bürgern, die alle ihre Bestes geben wollten. Den Rest kann man sich denken ... Amtsniederlegungen, Teilnahmeverweigerungen usw...

Die Zusammenstellung des Organisationsteams war sehr interessant. Sogar der langjährige Vorsitzende der Gegner des "Eisernen Rheins", Marc Oliver Künne, unterstütze uns tatkräftig auf dem grafischen Sektor und bei der Erstellung der Festschrift. Ihm gebührt meine besondere Anerkennung für seine hervorragende Arbeit. Allerdings darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß während der gesamten Vorbereitungs- und Durchführungsphase keine politischen Diskussionen zum Thema "Eiserner Rhein" geführt wurden. Ich gebe zu, das war schwer, lagen mir doch oft einige Anmerkungen auf der Zunge.

Als Arsbecker genieße ich kurioserweise einen besonderen Status in Dalheim (zumindest zwang sich mir dieser Eindruck auf). Ich werde de fakto den Ausländern gleichgestellt. Somit saß ich mit Coen Thevissen aus Herkenbosch "in einem Boot". Da gibt es, oft wegen nebensächlicher Meinungsverschiedenheiten, Grabenkämpfe zwischen den benachbarten Ortschaften. So stelle ich mir das Leben im Mittelalter vor. Einmal stand ich auch kurz vor der Kapitulation, aber naja, was läßt man nicht alles über sich ergehen für das Erlebnis eines Dampfzuges. Das Festkomittee änderte seine personelle Zusammensetzung - den Vorsitz übernahm jetzt eine Frau - Eugenie Consoir. Mit weiblichem Charme geht eben manches besser ...

Im Organisationsteam gab es einige pensionierte Eisenbahner; die allerdings wollten eisenbahntechnisch keine Verantwortung übernehmen. So blieb die Organisation an mir hängen. Das war weiter nicht schlimm, hatte ich doch freie Hand bei der Planung.

Eigentlich wollte ich, wenigstens einmal, mit dem Zug von Dalheim nach Roermond und zurück fahren. Das wäre sicherlich eine kleine Sensation geworden, ist doch die Strecke bereits seit mehr als zehn Jahren gesperrt. Aber es kam anders. Mehrere Briefe, Emails, Faxe und Telefonate mit dem niederländischen Netzbetrieber blieben ohne Reaktion. Ich hatte sogar schon ein Team, das bereit war, die Strecke frei zu schneiden. Offenbar wollte man kein Exempel statuieren. Hätte man uns fahren lassen wären sicher bald die verhaßten Güterzüge gefolgt.

Als Ersatz plante ich dann eine Bereisung des Siemens Prüfcenters in Wegberg-Wildenrath, was am Samstag, dem 11.09. stattfand. Hierzu meldeten sich bereits Monate vorher Teilnehmer aus England, Belgien, den Niederlanden und weiten Teilen Deutschlands an. Das Interesse war riesig. Viele Eisenbahnfreunde hatten es immer nur bis zum Zaun geschafft, aber niemals in das Gelände hinein.

Das Ereignis rückte näher und am Dalheimer Bahnhof wurde ein großes Zelt für die Festlichkeiten errichtet. Herr Aselmann fuhr mit einer Spaghetti-Kanone vor und verdingte sich als kochender Rechtsanwalt. Es geht nämlich die Sage, daß die italienischen Gastarbeiter, die bereits 1879 beim Bau der Eisenbahn in Dalheim tätig waren, als erste Spaghetti in Dalheim eingeführt haben. Dieser Tatsache wollte Herr Aselmann mit der Spaghetti-(Gulasch)-Kanone Rechnung tragen.

Einen Teil der Fahrkarten hatten wir bereits im Vorverkauf unter die Leute gebracht. Da am Samstag Morgen das Zugpersonal keine Fahrkarten bei sich hatte, setzte ich mich mit den Fahrkarten in das "Aquarium" der Rurtalbahn und fuhr dem Dampfzug bis Rheydt Hbf entgegen. In Wegberg streifte der Triebwagen an einem dicken Baum vorbei, der durch den nächtlichen Sturm erlegt worden war. Es gab einen fürchterlichen Knall, der zu meinem Erstaunen den Lokführer nicht aus der Ruhe brachte. Er war an diesem Morgen bereits zweimal mit dem Baum in Kontakt gekommen und schien sich daran gewöhnt zu haben. (Anmerkung: Anders als bei der Selfkantbahn brauchen die Lokführer der Rurtalbahn ihre Fahrzeuge nicht selber reparieren.) Für mich stand fest, daß ich den Dampfzug daran nicht vorbeifahren lassen würde.

Als ich in Rheydt auf den Dampfzug traf, begab ich mich unmittelbar zum Lokführer. Geführt wurde der Zug von der V36 114. Die 78 458 leistete Schiebedienste. In Wegberg hielten wir vor dem Baum an und versuchten in strömendem Regen mit vereinten Kräften, den Stamm zur Seite aus dem Lichtraumprofil zu bewegen. Da der Baum jedoch eine Länge von sicherlich 12 Metern hatte gelang uns dies nicht. Glücklicherweise gab es eine Säge im Zug, sodaß wir doch noch zu einem guten Ende kamen. Nach einem Anruf beim Fahrdienstleiter veranlaßte dieser die endgültige Beseitigung. Als wir bei der nächsten Fahrt wieder vorbei kamen war von dem umgestürzten Baum nichts mehr zu sehen.

In Dalheim waren an diesem Wochenende umfangreiche Rangierarbeiten erforderlich, da es in dem Bahnhof, der im betrieblichen Sinn eigentlich gar kein Bahnhof mehr ist, sondern eine Abzweigstelle, nur noch eine Weiche gibt. Ein Umfahren war nicht möglich. Es wurde eine zweite Lok benötigt, die in Form der V36 bestellt worden war.

Ja, dann war da noch die Sache mit dem zweiten Gleis. Das nämlich war seit Monaten gesperrt und für nicht befahrbar erklärt worden. Es gab im Vorfeld seitens der DB gar die Forderung nach dem Einsatz eines Wendezuges. Glücklicherweise wurde rechtzeitig eine Renovierung anberaumt und wir konnten das Gleis doch noch nutzen. Vielen Dank an Herrn Tiskens von der DB.

In Wegberg wurde im letzten Jahr ebenfalls eine Weiche ausgebaut. Deshalb mußte für die Fahrt zu Siemens die V36 mitgenommen werden. Nur so konnten wir in Wegberg die Fahrtrichtung ändern.

Für die Fahrt zu Siemens hatte ich mir einen Ablauf ausgedacht, bei dem möglichst viele Teilnehmer auf ihre Kosten kommen sollten. Der Zug fuhr in das Gelände hinein. Die Reisenden konnten aussteigen und das Areal besichtigen. Während dessen begab sich der Dampfzug auf den großen Testring und fuhr an den Teilnehmern mehrmals vorbei. Anschließend stiegen die Fahrgäste wieder ein und kamen in den Genuß, selber einige Runden mitfahren zu können. Anschließend ging es wieder zurück nach Dalheim, wo der Abend mit einem Festabend endetet.

Mein besonderer Dank gilt hier Herrn Dr. Franz-Josef Antwerpes, der uns als Schirmherr zur Seite gestanden hat. Passend zum Anlaß war er per Bahn angereist. Ihr Interesse an der Veranstaltung brachten auch die Bürgermeisterin der Stadt Wegberg, Frau Hedwig Klein, sowie Ihr Amstkollege, Herr Offermanns, aus der niederländischen Nachbargemeinede Roerdalen, durch ihre Teilnahme zum Ausdruck.

Parallel zu unserem Fest gab es auf der niederländischen Seite in Vlodrop Station einige Informationsstände "grüner" Organisationen. Dadurch bedingt erfolgte ein reger "kleiner Grenzverkehr" per pedes und per fiets. Die niederländische Bevölkerung zeigte großes Interesse an den Aktivitäten in Dalheim. Sogar ein Fernsehteam von Roerdalen TV unter der Leitung von Frank Beckers begleitete die Veranstaltung zwei Tage lang. Der Film wird nach der Ausstrahlung als DVD erhältlich sein.

Die Interessengemeinschaft der Bahnpensionäre hatte eine Ausstellung im Bühnenwagen der "West Energie und Verkehr" errichtet. Hier wurden Dokumente aus der Vergangenheit des Bahnhofs gezeigt. Eine besondere Augenweise war ein Modell des Vlodroper Empfangsgebäudes im Maßstab 1:22,5 von unserem niederländischen Freund Coen Thevissen.

Der Sonntag verlief bei schönstem Spätsommerwetter reibungslos. Wir fuhren dreimal nach Mönchengladbach und zurück. Die Stimmung in der Bevölkerung war spitzenmäßig. Staunende Kinder gab es in Hülle und Fülle. Ebenso begeistert waren die pensionierten Eisenbahner der DB und NS, die wir zu Kaffee und Kuchen und einer Lokbesichtigung eingeladen hatten. Unter ihnen waren auch die letzten Bahnhofsvorsteher der Bahnhöfe Dalheim, Vlodrop und Herkenbosch sowie zwei Lokführer, die noch Vieles über ihre Erlebnisse auf den wunderschönen niederländischen Dampflokomotiven zu berichten wußten.

Ja, und dann war festzustellen, welchen Einfluß die Selfkantbahn auf das historische Eisenbahnwesen in unserer Region hat. Ohne deren Mitarbeiter hätte die Veranstaltung nicht in dieser Form durchgeführt werden können. Sascha Naß und Dirk Olbertz verdingten sich als Lokführer bei der EPEG und ich fungierte als "historischer Aufsichtsbeamter" und streckenkundiger Lotse auf der Fahrt zu Siemens. Der Informationsstand der Selfkantbahn wurde von Helmut Kommans und Tobias Formen aufgebaut und am Wochenende von Tobias Formen und Valentin da Nardo betreut.

In der Garage der Familie Tholen, direkt neben dem Bahnhof, hatte die Grundschule Rath-Anhoven eine Modelleisenbahn-Modulanlage aufgebaut. Das Kinderdorf Dalheim, dem neben dem örtlichen Kindergarten der Erlös der Veranstaltung zufließt, hatte eine Kindereisenbahn für Rundfahrten mitgebracht und Herr Lisges von der Gaststätte "Rochusstube" stellte kostenlos eine Kutsche zur Verfügung.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten hat der Einsatz für eine gemeinsame Sache ein tolles Team entstehen lassen, mit dem ich gerne wieder eine solche Veranstaltung aufziehen würde. Zum 150 jährigen Jubiläum bietet sich wieder die Gelegenheit ...

 


Ruhe vor dem Sturm am Sonntag

 


Am Rheydter Güterbahnhof

 


Arsbeck

 


Rundfahrt im Siemens-Prüfcenter auf dem großen Testring

 


Ohne die Mitglieder der Selfkantbahn hätte die
Veranstaltung nicht durchgeführt werden können

 


Lokführer Dirk Olbertz bei der Arbeit

 

Hier finden Sie weitere Bilder vom Jubiläum

Bilder von Theo Scheres 11.09.2004

Bilder von Theo Scheres 12.09.2004

Bilder von Peter Riskes 12.09.2004

Bilder von Roland Stahl 12.09.2004

Bilder von Rinus Voogt 11./12.09.2004




Weitere folgen in kürze.

 

Letzte Aktualisierung: 07.11.04 15:51