Die Feldbahn des Kollegs St.Ludwig in Vlodrop/Niederlande

Kolleg St. Ludwig

In Nachbarschaft des Bahnhofs Vlodrop befindet sich das Kolleg St. Ludwig. Hierbei handelt es sich um einen Gebäudekomplex, der in den Jahren 1905-1909 von der sächsischen Franziskanerprovinz errichtet und bis zum Jahre 1979 als Internat und Klosterschule diente. Viele Jahrzehnte war das Kloster völlig autark. Es besaß eigene Brunnen und eine Stromversorgung sowie eine Landwirtschaft nebst Bäckerei, Schlosserei und Dampfwäscherei.

Zum Transport von Baustoffen und anderen Materialien existierte eine Feldbahn, die in einer Spurweite von 600 mm angelegt war.

Kolleg St.Ludwig

Kolleg St. Ludwig, Zug um 1930
Ein Zug um 1930, vermutlich bei der Talfahrt

Kolleg St. Ludwig, Feldbahn
Blick vom Bahnhof Vlodrop in Richtung Kolleg; links hinten sind die Türme erkennbar.

Kolleg St.Ludwig, Feldbahn

kolleg_tal2002.jpg (29786 Byte)
Etwa an dieser Stelle enstand das Bild oben links

kolleg_tunnel2002.jpg (34861 Byte)
Der sogenannte "Tunnel" in 2002

kolleg_treppe2002.jpg (37680 Byte)
Rechts vor dem "Tunel" gibt es 2002 noch eine Treppe aus alten Stahlschwellen.

Zum ersten Mal wird die Bahn am 25. Januar 1905 in einem Brief erwähnt, in dem die "Gemeinschaft zur Ausbildung von Missionaren des heiligen Franziskus" die niederländische Staatsbahn (SS) um Genehmigung eines Überladegleises im Bahnhof Vlodrop ersucht. Die SS hatte nichts dagegen, wohl mußte noch um Gestattung durch das entsprechende Ministerium angefragt werden. Die Genehmigung wurde am 23. April 1906 erteilt. Für die Nutzung des Bahngeländes mußte eine jährliche Gebühr von 10 Cent pro Quadratmeter entrichtet werden. Ferner war für jeden beladenen Wagen eine Gebühr von 50 Cent zu entrichten, weshalb der Schlüssel für das Zufahrtstor beim Stationsvorsteher zu hinterlegen und seinen Anweisungen strikt Folge zu leisten war.

kolleg_zug_am_tor.jpg (29107 Byte)
Ein Kokszug an der Schutzweiche; links erkennt man das Tor.

 

kolleg_tor2002.jpg (32337 Byte)
Das Zufahrtstor im Jahr 2002

Auf dieser Grundlage wurde mit dem Bau der 600 m langen Feldbahn in 600 mm Spurweite zu dem im Bau befindlichen Kloster begonnen. Am 11. Juni 1906 wurde vom Dampfkesselüberwachungsdienst eine vorläufige Genehmigung zum Betrieb der Dampflokomotive erteilt. Vom 16. Juni datiert ein Schreiben vom Wegedienst, wonach für die Verlängerung einer Ladesgleises sowie die Erstellung einer Überladerampe ein Betrag von 603,17 Gulden zu entrichten war. Es kann davon ausgegangen werden, daß zu diesem Zeitpunkt die Schmalspurbahn in Betrieb genommen worden ist.

1911 wurde das Überladegleis durch eine Drehscheibe ergänzt und der hölzerne Überladebahnsteig durch ein gemauertes Gewerk ersetzt. Hierfür erteilte das Ministerium am 6 Dezember desselben Jahres die Genehmigung.

Aus der weiteren Korrespondenz des Klosters geht hervor, daß man den Minister eingeladen hat, um sich selber ein Bild zu machen.

Bei der Lokomotive handelte es sich um eine Dampflok der Firma Arnold Jung. Sie wurde mit der Fabriknummer 995 am 2. Juni 1906 gebaut. Es war eine zweiachsige Lokomotive, wie sie zur damaligen Zeit bei vielen Bauunternehmen zu finden war. Ihr Dienstgewicht betrug ungefähr 6,15 t und der Kessel war für einen Dampfdruck von 12 atü ausgelegt. Sie hatte eine Lsietung von 40 PS.  Die Lok war nicht mit einer Loknummer versehen, doch galt sie als die Nummer "3", da die Nummern "1" und "2" für stationäre Dampfkessel der Wasserpumpen und der Dampfwäscherei vergeben waren.

Kolleg St.Ludwig, Lok im Innenhof
Im Innenhof

kolleg_fabrikschild.jpg (33077 Byte)
Fabrikschild der Dampflok. Leider wurde ein
Stück ausgesägt, da die Schlosserei
nach Verschrottung der Lok ein Stück
Messing benötigte.

Kolleg St.Ludwig, Lok im Innenhof
Die Lok im Innenhof um 1930
Links sieht man den Lokschuppen

Es existierten ungefähr 25 Kipploren, von denen eine Anzahl mit Handbremsen versehen war. Diese waren nötig, um die Wagen auf dem abschüssigen Gelände vor dem Wegrollen zu sichern. Durch Anbringung zusätzlicher Bretter konnten die Loren auch für andere Zwecke verwendet werden.

Während der Bauphase des Klosters hatte die Bahn einen erheblichen Anteil am Transport von Baumaterial. Später diente sie in erster Linie dem Transport von Koks, Steinkohle und Kunstdünger. 1942 wurde die Zufahrtstraße befestigt und somit kam auch das Ende der kleinen Bahn. Später wurde der Lokschuppen in eine Garage umgewandelt und die Lokomotive verschrottet.

Im Hof des Klosters befand sich ein etwa 40 m langer Sturzbunker, in den an die 300 t Koks eingelagert werden konnten. Diese Menge wurde in den Wintermonaten schnell verheizt.

Ein genauer Lageplan mit dem Verlauf der Feldbahn innerhalb des Gebäudes findet sich hier.

Im Bereich des Bahnhofs Vlodrop ist heute nicht mehr viel zu erkennen von den einstmals vorhandenen Bahnanlagen. Die Überladerampe und das Tor sind noch erkennbar. Die Zufahrt zur Rampe aus Richtung Kloster war mit einem Schutzgleis versehen. Wenn ein Zug vom Kloster herunter kam, mußte Bruder Rangierer zunächst die Schutzweiche umlegen. Auf der Rückfahrt wurden die beladenen Wagen mitgenommen - 7 bei Koks- und 6 bei Steinkohlentransport. 20 Tonnen Koks füllten 49 Wagen; für die gleiche Menge Steinkohle waren 35 Wagen erforderlich. Die leer angekommenen Wagen wurden von Hand über die Drehscheibe auf die Rampe geschoben, beladen und an den Zug gehängt.

Kolleg St.Ludwig, Anlagen im Bahnhof Vlodrop

kolleg_prrellbock2002.jpg (31826 Byte)
Etwa dort, wo sich die Drehscheibe befunden hat,
findet man heute noch einen Prellbock.

kolleg_rampe.jpg (33956 Byte)
Die Verladerampe, von wo aus die Güter auf
die Waggons der NS verladen wurden.

Nachdem der beladene Zug über die Schutzweiche gefahren war, wurde angehalten und die Weiche wieder in die Grundstellung verlegt. Dann ging es die Steigung hinauf, durch einen kleinen Tunnel unter dem Weg hindurch und schließlich auf das schwierigste Stück, die in einer Steigung gelegene Kurve. Bei Nässe half Sand. Von hier ging es weiter, vorbei am Bienenhaus, über die Weichen in ein Ausziehgleis. Von hier wurde der Zug rückwärts zum Sturzbunker geschoben. Die Lok wurde abgekuppelt und fuhr mit dem bereit stehenden Leerzug zurück zum Bahnhof. Nach zwei bis drei Fahrten muß Wasser gefaßt werden. Die Lok wurde immer gut von ihrem Lokführer, Bruder Eleutherius, gepflegt. Jedes Jahr erhielt sie einen neuen Anstrich und alle zwei Jahre kam ein Techniker von Harkort zur Nachschau.

kolleg_lokfuehrer.jpg (18254 Byte)
Der Lokführer, Bruder Eleutherius, bei
seiner Werkstattarbeit als Schlosser

In den letzten Kriegsjahren fanden enorme Aktivitäten im Bahnhof Vlodrop und im Kloster statt. Durchgehende Züge nach Antwerpen, Truppentransporte, Gefangenenzüge und bis zu 40 Kohlezüge täglich passierten den Bahnhof. Im Kloster selbst hielten sich tausende Gefangene, Verwundete und Flüchtlinge auf.

Zu erwähnen ist noch, daß es während der Bauphase von 1905 bis 1909 eine weitere Feldbahn gab, die sich rund um das Gebäude erstreckte. Hierfür wurde eine zweiachsige Diesellokomotive angeschafft, die ebenfalls von der Firma Jung geliefert wurde. Es handelte sich um eine Lok mit einem Dienstgewicht von 5,3 t und 30 PS Leistung, welche unter der Fabriknummer 924 am 7. März 1906 gebaut wurde.

Jung Vlodrop.jpg (152351 Byte)
Kundenkarteikarte der Firma Jung. Hierin ist die Lieferung von zwei Feldbahnlokomotiven vermerkt.
Quelle: Sammlung Jörg Seidel, Köln

kolleg_strassenbau.jpg (41815 Byte)
Feldbahneinsatz beim Bau der Zufahrtstraße.
Das Terrain mußte um 2 m vertieft werden.

kolleg_teichbau.jpg (35578 Byte)
Bau des Teiches 1919.

 

Der Autor dieser Homepage war übrigens selber Schüler des Kollegs St.Ludwig und kann sich noch deutlich an die Überreste der Bahnanlagen erinnern.